1964 bin ich als Sekundarschüler nach Westen gefahren. 2002 auch wieder! Der Westen ist burgundisch und elegant, der Westen ist staatsgläubiger, der Westen stellt immer die Mehrheit im Bundesrat, der Westen hat besseres Wetter, der Westen ist locker, der Westen ist weltoffen. 2002 versucht er der Schweiz Impulse zu geben, und dies ganz ohne Flagge zu zeigen.
Wer's objktiver mag, dem sei das Expo Archiv der SRG empfohlen.
Die Zugfahrt nach Westen verlief einsam. Entweder stehen die Besucher aus dem Osten früh auf, oder niemand geht hin. In Biel angekommen, ist man dann doch nicht ganz alleine und wandert kreuzungsfrei zu den Eingangstoren. Hochspezialisiertes Personal kontrolliert den Einlass. Tageskarten und Last-Minute-Pass haben in separaten Kolonnen zu warten. Warten kann an diesem Ort gelernt werden. "Macht und Freiheit" nimmt Biel wörtlich. Alles ist in Kisten, Gebäuden oder Pavillons verpackt. Haftpflichtversicherung und Feuerpolizei haben die Kapazitäten festgelegt. Nur im Paradies sind es die "Einkaufswägeli", die den Takt bestimmen. So lernt das gemeine Volk warten. Nur Geführte und Invalide sind von dieser Übung befreit. Aber immerhin hat man die Freiheit nicht hinein zugehen. Die Lage in der Bieler Bucht ist perfekt. Wenig Platz erfordert viele Pfähle. Die Aussicht von der Brücke ist grossartig. Die Architektur überzeugt aber nicht vollständig. Der Preis ist hoch: Eine geschlossene Badeanstalt, schöne, hohe Türme, die auf eigentlich nicht vorhandenen Platz stehen.
Eindruck gemacht haben die Wünsche, der Archipel Schweiz und die Bilder beim "Goldenen Kalb" über Börsen, als der Handel noch analog ablief. Von Anfang an gestresst hat die anstrengende Typografie. Man soll nicht einfach lesen können, nein man muss seine Sprache(n) immer suchen, um sich bewusst zu werden, dass wir keine gemeinsame Sprache haben. ///// ::. \\\\\\...:::///// :-(
Nach einem langen Tag, erschöpft im Zug sitzend, durch Weinberge nach Neuenburg fahrend, verlassen wir die Bieler Arteplage. Das Hotel in Neuenburg liegt nicht gerade vor den Toren der Ausstellung, so reicht die Wanderenergie gerade noch in eine Altstadt-Beiz.
Heute geht's mit dem Zug nach Murten. Und wie in alten Zeiten muss man laufen und nochmals laufen. "Augenblick und Ewigkeit" werden so erlebbar gemacht. Es soll noch jemand sagen, die expo02 weise keine schweizerischen Merkmale auf. Keinem anderen Volk würden solche Marschleistungen zugemutet. Gut gesichert ist die Route von aufmerksamen Uniformierten, die die Strasse sperren. Modern verpackt werden alte und neue Geschichten aufgezeigt.
Aber auch neue Erfahrungen sind möglich. Der "Garten der Gewalt" wurde nicht überdacht und ist frei zugänglich. Auch ist man frei das Schreckliche zur Kenntnis zu nehmen oder sich an der Natur zu erfreuen. Schade, dass ein Hundewetter herrscht, die Stadt Murten hätte viel zu bieten. So warten wir halt wieder, dieses Mal aber auf Kaffee und Kuchen.
Tag Nummer drei erlebten wir auf der Plattform "Natur und Künstlichkeit" Die Architektur gefällt mir gut. Der Fernsehdialog über drei Generationen in der Novartis Ausstellung war intelligent und hervorragend gespielt. Nur all die digitalen Informationen könnten ja auch übers Netz verbreitet werden. Auf ADA musste lange gewartet werden, ohne dass ich dann entscheidend klüger geworden wäre. Enttäuscht hat mich, dass der Zuschauerstrom von Hand gezählt wurde. Wenn künstliche Intelligenz noch nicht nachvollziehbar angewendet werden kann, wo bleiben die banale Anwendungen an dieser Ausstellung?
Schon ein wenig abgenutzt vom vielen Stehen und Gehen fahren wir nach Yverdon-les-Bains. Die letzte Nacht ist im Hotel Arte+Plage *** gebucht. Es soll direkt beim Ausstellungsgelände liegen. Schön wäre es, wenn diese Aussage stimmen würde. Aber eben Ferienprospekte verschleiern mehr als sie informieren. Dieses Container-Hotel liegt eindeutig am falschen Ufer der Zihl, ist teuer und von aussen ziemlich unansehnlich.
Aber Wandern ist eine Nationaltugend und dient der Gesundheit und der Wehrhaftigkeit. Das angepriesene Restaurant in der Hotelanlage ist auch nicht mehr. Für CHF 260 ist man im Abseits untergebracht, schleppt sich mit letzter Kraft für ein Abendessen dem Kanal entlang zur nächsten Beiz, aber leider ist dort der Fisch schon ausverkauft.
Wäre ich nicht so stur und würde ich auf dem Wasser reisen, und hätte so viele Kilometer abkürzen können. Als konservativer Skipper besteige ich aber keine Mehrrumpfboote. Schon gar nicht zu diesen Preisen, um damit die Dezentralisierung dieser EXPO zu unterstützen. Nirgends hat es so viel Platz wie am Westende des Neuenburgersees. Hier hätte man die ganze Ausstellung unterbringen können. Aber 1964 war's am Genfersee.. Wo kämen wir denn hin, wenn von dieser Standortgunst die Waadt gleich zweimal exklusive profitieren würde. Deshalb muss man fahren und laufen und sogar die Koffer packen.
Das Foto von IRIS, der Schnellen ist von unserer Unterkunft aus aufgenommen. Die Prospektaussage: "Direkt bei der Expo", stimmt für Fische und Schwimmende. Aber schwimmen scheint sehr gefährlich zu sein. Entweder landet man in der Pfanne
oder man wird von Lifegards an Land gepfiffen. Denn Schwimmen ist verboten. Wir sind ein Land in dem alle Bewohner in der Schule schwimmen lernen. Wir wehren uns gegen EU - Bürokraten, dafür übernehmen wir jeden amerikanischen Furz. Erwachsene Männer, sicher gut ausgebildet, bewachen den Neuenburgersee. Aktuelle Tiefe am Bildstandort, 200 m vom Ufer entfernt: 35 cm! Wir danken den Anwälten und Versicherungen für ihre "Fürsorge" und trauern der verlorenen Freiheit nach.
Nach so vielen Hindernissen ist viel Energie weg, aber die Themen am vierten Standort versprechen Leichtigkeit und neue Energien. Diese Ankündigungen werden auch eingelöst. Vier Tage expo02 ist bei kaltem Wetter, physisch schwer zu überstehen. Früh sitzen wir, erschöpft, im Zug nach Zürich.
Eine Schlussfrage bleibt: "Wieso müssen Landesausstellungen immer an Seen liegen, da diese ja so gefährlich sind?"